04.07.2023 - 7 Informationen zum geplanten LNG-Terminal im Fäh...
Grunddaten
- TOP:
- Ö 7
- Zusätze:
- Gäste: - Carsten Schneider, MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland - Heiko Miraß, Parlamentarischer Staatssekretär für Vorpommern und das östliche Mecklenburg - Harm Sievers, GF der Fährhafen Sassnitz GmbH - Dipl. iur. oec. Philippe Steiner, Managing Director SPG Steiner GmbH - Dr. Stephan Knabe, Vorsitzender AR und Gesellschaftervertreter Deutsche ReGas GmbH & Co. KGaA - Ludger Hümbs, Gascade, Leiter Marktgebiet und wirtschaftliche Entwicklung - Thomas Bumann, Betriebsrat FHS
- Gremium:
- Stadtvertretung
- Datum:
- Di., 04.07.2023
- Status:
- gemischt (Niederschrift genehmigt)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- außerplanmäßige Sitzung
Wortprotokoll
Zunächst erhalten die Vertreter der Bürgerinitiativen zu dem Thema LNG das Rederecht.
Herr Kunstmann (Bürgerinitiativen „Lebenswertes Rügen“ und „Kein LNG in Mukran“)
Herr Kunstmann erklärt, dass er es für nicht richtig hält, dass von einer Gasmangellage ausgegangen wird und in einem beschleunigten Verfahren etwas hingesetzt wird, was bedeutet, dass der Hafen in den nächsten Jahren zu einem Industriehafen ausgebaut wird.
Herr Kunstmann appelliert an die Stadtvertreter, dass sie daran denken mögen, dass das sensible Ökosystem Ostsee ausreichend berücksichtigt wird.
Herr Dahms (Vertreter Bürgerbegehren LNG-Terminal ja/nein)
Herr Dahms bezieht sich auf die durchgeführte Prüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch die Verwaltung und die Stellungnahme der Rechtsaufsichtsbehörde dazu. Die hier monierte Fragestellung könne seiner Ansicht nach noch verändert werden.
Herr Dahms erklärt außerdem, dass er persönlich der Auffassung ist, dass die Stadt sehr wohl darüber entscheiden kann, was im Hafen gebaut wird, auch wenn davon die Rede ist, die Angelegenheit wäre keine des ‚eigenen Wirkungskreises‘ der Stadt Sassnitz.
Herr Klein beantragt ein Rederecht für Herrn Prof. Dr. Christian von Hirschhausen vom Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW).
Abstimmung über das Rederecht: 14 dafür (einstimmig)
Herr Dr. von Hirschhausen sei gebeten worden, die Resultate seiner Forschung einerseits zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit des LNG-Projektes und andererseits zur industriepolitischen und regionalwirtschaftlichen Rationalität vorzutragen.
Die LNG-Pläne der Bundesregierung sind dieser Studie zufolge überflüssig. Man rate zu einem Stopp des Infrastrukturausbaus. Denn eine Gasmangellage sei nicht mehr absehbar und auch der Rest Europas könne gut versorgt werden. Stattdessen solle der Erdgas-Ausstieg vorangetrieben werden.
Herr Miraß weist hingegen darauf hin, dass es auch Experten gibt, die genau das Gegenteil von dem sagen, was Herr Dr. von Hirschhausen ausführt. Es muss auf Bundesebene abgeschätzt werden, ob die Energieversorgung gesichert ist oder nicht.
Wenn man auf der Ebene des Bundestages zu dem Ergebnis kommt, dass es eine entsprechende Bedarfslage gibt und man deshalb einen Standort in das Beschleunigungsgesetz mit aufnimmt, dann muss auf Landesebene beurteilt werden, ob ein konkretes Vorhaben umweltrechtlich, naturschutzrechtlich, emissionsschutzrechtlich usw. genehmigungsfähig ist oder nicht.
Herr Miraß erklärt, dass durch die Landesregierung ein rechtsstaatliches Verfahren abgesichert wird.
Herr Benedict erfragt bei Herrn Hümbs, ob die Aussagen des Herrn Dr. von Hirschhausen hinsichtlich der nicht vorhandenen Gasmangellage korrekt sind.
A/ Herr Hümbs
Das kann so nicht bestätigt werden. Es ist richtig, dass die Leitungen, die Ost-West-Verbindungen vorhanden sind. Diese Leitungen sind allerdings gebaut worden, um das Gas von Ost nach West zu transportieren und nicht von West nach Ost. Diese Leitungen werden auch genutzt. Für Deutschland hat es im letzten Winter gereicht, für Nachbarstaaten wie bspw. Tschechien jedoch nicht. Das Problem sind eher die Nord-Süd-Verbindungen, weniger die Ost-West. Es gibt im Osten keine Einspeisungen mehr.
Herr Dr. von Hirschhausen
Gibt zu Protokoll, dass die Nutzung einer Erdgaspipeline von West nach Ost und von Ost nach West wie die Nutzung einer Autobahn ist. Der Aufwand für die Vorbereitung der Fließrichtung des Erdgases ist mit geringen Kosten verbunden. Herr Dr. von Hirschhausen rät den Stadtvertreterinnen und Stadtvertretern, die Gascade und die Betreiber zu einer schriftlichen Stellungnahme in der Form aufzufordern, dass die angesprochenen Engpässe, die seines Erachtens marginal sind, quantifiziert werden – wo sind sie, wie oft treten sie auf, in welcher Höhe treten sie auf und spielen sie im gesamtdeutschen Energiesystem eine Rolle.
A/ Herr Hümbs
Relativiert die Aussagen des Herrn Dr. von Hirschhausen, als dass er erklärt, dass die bestehenden Leitungen sehr wohl in beide Richtungen genutzt werden. Dies ist jedoch nur mit größerem Aufwand möglich. Denn dazu würde Druck benötigt. Die Druckvoraussetzungen waren so nur eingeschränkt gegeben. Das ließe sich nicht ad hoc herstellen.
Aussagen zur Notwendigkeit zusätzlicher Gasversorgung sind bis dato aufgrund der Daten eines Winters getroffen. Hier können nur Annahmen für die Zukunft gemacht werden – und dann stehen sich wieder verschiedene Studien mit eben unterschiedlichen Annahmen gegenüber.
Herr Benedict erbittet eine Aussage von Herrn Dr. Knabe hinsichtlich der spekulierten Annahmen/angesprochenen Ängsten hinsichtlich Schall, Licht und eingeleiteter Kontaminationen.
A/ Herr Dr. Knabe
Es konnten schon Erfahrungen mit dem Betrieb in Lubmin gesammelt werden. Seit Produktionsbeginn am 9. Januar werden keine Pestizide eingesetzt und es gibt keinen Grund, warum damit in Mukran begonnen werden sollte.
In Lubmin konnte durch die Veränderung des Regimes der Generatoren eine Verbesserung der Schallimmission erreicht werden, sodass die Bürger jetzt damit zufrieden sind. Darüber hinaus wurden Schalldämpfer bestellt. Diese sollen dafür sorgen, dass die Schallimmission der Schiffe weit unter den Grenzwerten liegt. Die dritte Variante ist, dass keine lärmverursachenden Generatoren eingesetzt werden, sondern stattdessen Landstrom verwendet wird. Da der Strom auf Rügen dafür nicht ausreicht, ist die Idee, eine Kraft-Wärmekopplungsanlage (kompaktes Gaskraftwerk) in Lubmin abzubauen und nach Mukran zu verbringen. Zudem gäbe es dadurch eine zusätzliche Wärmequelle, die dauerhaft zur Verfügung steht. Durch die Errichtung eines Elektrolyseurs wird Rügen in die Lage versetzt, mit Stromkabeln der Offshore-Windparks versorgt zu werden, wodurch eine nachhaltige Stärkung der Infrastruktur erreicht würde.
Hinsichtlich des Bedarfs an Gas führt Herr Dr. Knabe aus, dass die Bundesnetzagentur die Bedarfe ermittelt. Diese Ermittlung fußt auf der Annahme eines kalten Winters, ob dann ausreichend Gas für Gewerbe, Unternehmen, private Haushalte etc. zur Verfügung steht. Das heißt, die Gaskapazität wird nicht für den Normalfall geplant, sondern für einen Krisenfall (z.B. bei Ausfall einer Pipeline oder einem besonders kalten Winter). Durch verschiedene Bezugsquellen von Gas würden sich im Übrigen auch die Verbraucherpreise reduzieren.
In der Praxis würde ein Mal pro Woche ein Schiff in den Hafen hineinfahren und ein Mal pro Woche wieder hinaus.
Herr Witt
Würde sich der Schiffsverkehr (LNG-Schiffe) ändern, wenn die Lösung in Mukran nicht zustande käme?
A/ Herr Dr. Knabe
Die Schiffsverkehre würden so bleiben, wie sie jetzt sind, bis kein LNG mehr benötigt wird. Das bedeutet, dass u.a. die Reede Binz immer wieder genutzt werden müsste, weil die Verkehrsleitzentrale in dieser eng befahrenen Wasserstraße keine andere Lösung hat.
Mit der Lösung in Mukran würde sich der Schiffsverkehr von aktuell sechs Schiffen pro Tag auf eines pro Woche reduzieren.
Herr Dr. von Hirschhausen
Gibt zu Protokoll, dass zwei Dinge in den Ausführungen des Herrn Dr. Knabe seiner Ansicht nach falsch waren. Die Erdgasversorgung wird für die Bundesrepublik und auf Rügen durch das eine LNG-Schiff in der Woche nicht günstiger. Außerdem geht es im LNG-Beschleunigungsgesetz nicht um die Beimischung marginaler Mengen von Wasserstoff, sondern es geht um Ammoniaktransport.
Herr Benedict bittet den Geschäftsführer der Fährhafen Sassnitz GmbH um Ausführungen zu der Haltung des Hafens gegenüber der Thematik LNG-Terminal.
Herr Sievers
Der Hafen ist seit 3. März in die Thematik involviert. Der Bund hat dazu aufgerufen, die technischen Voraussetzungen im Hafen Mukran zu prüfen. Abschließend gab es zu jeder Prüfungsrunde eine Simulationsfahrt, in der die Schiffe und der Stand des Hafens navigatorisch geprüft wurden. Eine Verkehrssicherheit war hier immer gegeben.
Herr Sievers betont, dass Sassnitz eine Hafenstadt ist, deren Wirtschaftskraft aus diesen beiden Häfen kommt. Durch verschiedenste Industrieprojekte in den vergangenen 20 Jahren konnte sich eine weitreichende Expertise dahingehend angeeignet werden, wie man mit solchen Projekten umgeht.
In Mecklenburg-Vorpommern ist der Fährhafen seit 2005 in der Landesraumordnung mit der Aufgabe betraut, die Wirtschaft zu entwickeln und zu stärken. Darauf sind alle Maßnahmen der letzten 20 Jahre ausgerichtet gewesen.
Rügen ist nicht das einzige Tourismusgebiet, in dem LNG-Häfen sind. Andere Häfen müssen für weitere Industrieansiedlungen seeseitig ausgebaut werden. Das ist im Hafen Mukran nicht notwendig. Es wurde das Liegen von zwei FSRU’s im Hafen von Mukran simuliert. Bau- und navigationstechnisch ist die Machbarkeit festgestellt worden. In unserer Partnerstadt Klaipeda liegt beispielsweise eine FSRU direkt an der Kurischen Nehrung, einem Weltnaturerbe.
Der Hafen hat nunmehr zwei bauliche Voraussetzungen zu erfüllen. Das ist einerseits die Vertiefung der Fahrrinne. Diese Vertiefung war ohnehin geplant. Bereits vor vier bis fünf Jahren wurde mit dem Planfeststellungsverfahren dazu begonnen und kommt jetzt zum Abschluss. Zum zweiten muss eine Kaimauer ausgebaut werden. Auch hiermit wurde bereits vor vier Jahren begonnen. Der Wasserbau ist fertig, sämtliche Genehmigungsverfahren abgeschlossen und ist nur umzusetzen, wenn es denn gewünscht ist.
Herr Martens
Die Kolleginnen und Kollegen des Fährhafens sorgen sich um ihren Arbeitsplatz. Sie sorgen sich darum, dass der Fährhafen in Verruf gerät, sich bald niemand mehr dort ansiedeln möchte und somit die Arbeitsplätze in Gefahr sind. Die Belegschaft sorgt sich darum, dass die Chance, die dieses Terminal bietet, ungenutzt bleibt, wie etwa vor 30 Jahren mit der Meyer-Werft war.
Herr Bumann
Stellt klar, dass die Unterstellungen, dass der B-Plan 7.1 bereits in Vorbereitung auf LNG aufgelegt wurde, so nicht richtig ist. Der B-Plan fußt auf bestimmten Ansiedlungsabsichten und Erfahrungswerten. Als für Planungen im Fährhafen verantwortlicher Mitarbeiter unterstreicht Herr Bumann erneut, dass trotz einer Aufnahme des Standortes Mukran in das LNG-Beschleunigungsgesetz alle Prüfverfahren eingehalten werden.
Herr Kunstmann
Herr Sievers nannte in seinen Ausführungen den 3. März als den Tag, seit dem der Hafen involviert ist. Wie kann es sein, dass der Bürgermeister in einer anderen Stadtvertretersitzung vom 8. März als den Tag spricht, an dem er von dem Vorhaben erfahren hat?
A/ Herr Kräusche
Als Bürgermeister ist er Gesellschafter und nicht derjenige, der die Geschäfte führt. Wenn er selbst die Geschäfte führen und in alle Fragen und Entscheidungen miteinbezogen würde, wäre dies eine faktische Geschäftsführung, die nicht zulässig ist. Der Geschäftsführer hat entsprechend des Gesellschaftervertrages seine Aufgaben zu erledigen. Eine zeitliche Verzögerung in der Kommunikation ist hier durchaus plausibel.
Herr Miraß
Erklärt den Anwesenden, warum Deutschland im Notfall für andere Länder Strom liefern müsse. Gäbe es derartige vertragliche Konstellationen nicht, müsse jedes Land für sich einen Puffer für Notfälle anlegen.
Herr Witt
Warum gehen Herr Miraß und Herr Dr. Knabe in die Gemeindevertretungen, wenn die Gemeinden sowieso keine Entscheidungsbefugnis haben?
A/ Herr Miraß möchte als Vertreter der Landesregierung den Menschen vor Ort zur Verfügung stehen.
Herr Grunau erbittet von Herrn Sievers eine Antwort auf die Aussage von Herrn Dr. von Hirschhausen, dass hier, egal was kommt, eine Ansiedlung von Industrie oder anderem Gewerbe absolut unmöglich sei. Denkt der Fährhafen bereits in die Richtung der Ansiedlung von energieintensiven Unternehmen oder gibt es gar schon Anfragen?
A/ Herr Sievers
Seit einem Jahr steigen die Anfragen von Industrieunternehmen zwecks Ansiedlung. Das sind u.a. Betonteilewerke, die sehr viel Strom brauchen. Die größte Herausforderung für den Hafen ist, diese Energie an den Standort zu bekommen. Mit dem geplanten LNG-Projekt besteht die Chance, zumindest einen Teil des benötigten Stroms zu kriegen. Der Hafen strebt eine Diversifizierung in der Ansiedlung von Industrie an.
Es schließt sich eine 15minütige Pause an.
